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Aufschrei um Veggie-Konzept

Fisch und Fleisch müssen draußenbleiben: Während das Speisenangebot in der Mensa der Universität Luzern vegen-vegetarisch konzipiert ist, gibt es draußen am Foodtruck auch Gerichte mit Fleisch und Fisch.
Universität Luzern
Fisch und Fleisch müssen draußenbleiben: Während das Speisenangebot in der Mensa der Universität Luzern vegen-vegetarisch konzipiert ist, gibt es draußen am Foodtruck auch Gerichte mit Fleisch und Fisch.

Veggie für alle! Die Mensa der Universität Luzern empfängt wieder Gäste – und startet mit einem vegetarisch-veganen Speisenangebot. Nach einem Soft-Opening soll der volle Speiseplan jetzt auf die Menüs kommen. Ein gemischtes Medien-Echo begleitet den Neustart.

Die Luzerner Zeitung sieht die Universität in einer Pionierrolle. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) widmet der Tatsache, dass Luzerner Studierende in der Mensa nur noch Veggie und Vegan vorfinden, einen Beitrag inklusive Meinungs-Popourri potenzieller Gäste. Thomas Frey, ZFV-Verantwortlicher Bildung darin: "Wir können alle Komponenten abdecken, Eiweiß, Kohlehydrate, Gemüse und die verschiedenen Nährstoffe. Mit der Qualität werden wir die Gäste überzeugen, dass rein vegane und vegetarische Angebote wirklich eine Alternative sind."

Aufschrei-Schlagzeilen unterstellen Provokation

"Die Uni Luzern provoziert mit einem Menü-Diktat" titelt jedoch der Tages-Anzeiger (TA) seine Gastro-Kritik und führt erboste Bauern und Metzger ins Feld. Lustig macht sich dagegen deren eigener Redakteur Daniel Böniger über die vermeintliche laschen Inkonsequenz des eigentlich sinnvollen Schritts. Er unterstellt Opportunismus und Mutlosigkeit: "Wieso nicht darauf bestehen, dass dort nur noch Produkte auf den Tisch kommen, die rund um den Vierwaldstättersee produziert wurden?", mokiert er sich. "Statt Kaffee könnte man bloss noch Tee anbieten, weil der klimatechnisch wesentlich besser abschneidet. Oder vielleicht sogar verlangen, über Mittag in der Mensa für eine Stunde Compi und Handy auszuschalten? Tja, damit käme man halt nicht so einfach durch", seine Mutmaßung. Gleichzeitig völlig daneben in seiner Überheblichkeit und andererseits in puncto digital Detox gar kein schlechter Ansatz für Klimaschutz und Pausenqualität.

 
Ganz anders betrachtet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) den Vorstoß in Luzern. Sie hält den Empörten über angebliche kulinarische Bevormundung entgegen: "Es ist heuchlerisch, wenn SVP-Politiker und Bauernvertreter bei Vegi-Menus eine übergriffige Ernährungspolitik beklagen. Die mächtigsten Ernährungspolitiker sind sie selbst." Und auch das Online-Magazin VegPool meldet sich zu Wort, der Umstieg der Mensa habe symbolischen Charakter. VegPool argumentiert zudem diametral entgegengesetzt zum Gängelungs-Aufschrei: "Eine Ernährung, die die Lebensgrundlagen zerstört, ist Bevormundung." Mit einer klimafreundlichen Ernährung könne jede/r Einzelne sehr einfach etwas gegen die weitere Erderwärmung tun.

Umsichtig nachhaltig agieren

Doch was hat Bauern, Metzger und Medienvertreter auf den Plan gerufen? Die Universität hatte nach der Vertragskündigung des langjährigen Caterers Compass Group die Bewirtschaftung der Mensa neu ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt die genossenschaftlich organisierte ZFV-Unternehmungen unter anderem aufgrund ihres betont nachhaltigen Verpflegungskonzeptes. Doch von Fleisch-Verbot kann keine Rede sein. Dazu die Universität: "Die Mensa-Betreiberin verfolgt ein in erster Linie vegan-vegetarisches Verpflegungskonzept. In Ergänzung ... gibt es ein ... Angebot mit abwechslungsreichen und frischen Speisen mit Fleisch oder Fisch – aktuell in einem Foodtruck vor dem Uni/PH-Gebäude." Längerfristig soll der Imbisswagen einen festen Standort erhalten. Zudem betont die Universität, dass der Uni-Catering-Service ebenfalls weiterhin Fleisch und Fisch beinhalte.

Drei Menülinien zu Mittag

Mensa
Vegveg – vegetarisch interpretierte Schweizer Klassiker
Soul – vegane Menüs inspiriert aus den Küchen der Welt
Gärtnerei – Blatt- und Mischsalate, hausgemachte Dressings und diverse Toppings
Foodtruck 
abwechslungsreiche und frische Speisen mit Fleisch oder Fisch
Kaffeebox – morgens und als Zwischenverpflegung bietet die "Kaffeebox" frische Backwaren, vegane Gipfeli, Müesli, Sandwiches, Salatbowls und andere Snacks
Das ZFV-Konzept legt neben der ausgewogenen und umweltfreundlichen Ernährung Wert auf möglichst geringen Foodwaste und will den Plastikverbrauch durch Mehrweglösungen senken. Überzeugt habe bei der Entscheidung für die Catering-Vergabe auch eine zukunftsorientierte Mitarbeitendenpolitik der ZFV-Unternehmungen, wie die Universität mitteilt, und: "Das neue Mensa-Konzept kommt der Universität beim Bestreben nach mehr Nachhaltigkeit im Betrieb entgegen."

Erste Schritte im Konsens

Während der Einführungsphase suchen die Entscheider von Universität und ZFV den engen Kontakt zu den Gästen, um die Resonanz zu beobachten. Begleitet wird das Ganze von einer Mensakommission mit Vertretern aller internen Nutzergruppen. Nach brachialer Bevormundung der Gäste klingt dies nicht, zumal davon auszugehen ist, dass Studierende mehrheitlich an Themen wie Klimaschutz interessiert sind – sind sie doch langfristig die Hauptleidtragenden der negativen und immer brutaleren Auswirkungen der Erderwärmung auch in Mitteleuropa.

Während sich Berufsgruppen, die von der Fleischproduktion leben, geschmäht sehen und finanziellen Schaden fürchten, zeigt die umsichtige Einführung des Veggie-Angebots, dass es den Entscheidern ernst ist. Sie wollen mitnehmen und überzeugen – aber vor allem Teil der Lösung eines globalen Problems sein. Sie und immer mehr mutige Gastro-Player wagen sich vor und setzen klare Zeichen, dass jeder im eigenen Einflussbereich helfen kann, den Klimawandel möglichst zu verlangsamen.

Wandel schmackhaft machen

Und dass der Impact der Gemeinschaftsgastronomie mit tonnenweisem Verbrauch an Lebensmitteln kein Pappenstiel ist, versteht sich von selbst. Zudem kann gerade die Gastronomie mit gesunden, nahrhaften, genussvollen Angeboten das Klima-Engagement "versüßen" – von Verzicht keine Spur. Skandalös ist es doch eigentlich, nichts zu unternehmen und den Status quo ewig unkonstruktiv meckernd hinzunehmen, wie auch die Kommentatorin Angelika Herdegger der NZZ schließt: "Empörend sind in Fragen der Ernährung doch ganz andere Dinge. Zum Beispiel, dass die Politik noch 2021 Steuergeld in Fleischwerbung investiert."

In der Veggie-Hochburg Berlin, wo ab Oktober an die 200.000 potenzielle Gäste zu 68 Prozent vegane und zu 28 Prozent vegetarische Gerichte vorfinden, geht man schlicht davon aus, vor allem dem Wunsch der Gäste gerecht zu werden. Ein medialer Aufschrei? Fehlanzeige.
Über ZFV-Unternehmungen
Die ZFV-Unternehmungen wurden 1894 in Zürich gegründet und sind heute ein schweizweit führendes Unternehmen mit den Tätigkeitsschwerpunkten Hotellerie, Gastronomie und Bäckerei-Konditorei. Zum Unternehmen gehören die 17 Sorell Hotels, verschiedene öffentliche Trend- und Museumsrestaurants, zahlreiche Personalrestaurants, Cafeterias, Universitäts- und Schulmensen sowie die Kleiner Bäckerei-Konditorei. Der ZFV ist ebenfalls in der Messe- und Stadiongastronomie sowie im Eventcatering tätig. Zu den Kunden im Segment Education zählen etwa zahlreiche Berufsschulen im Kanton Zürich oder die Uni Zürich. In Luzern wird die Gastronomie im Verkehrshaus, die Mensa der Hochschule sowie das Bistro des Bildungszentrums von dem Unternehmen betrieben.

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