Der dänische Kronprinz Frederik betonte, wie wichtig die deutsch-dänische Zusammenarbeit beim Thema Ernährung und Landwirtschaft sei.
Wie können Kantinen und öffentliche Gastronomie nachhaltiger werden? Und wie muss die Ernährung der Zukunft aussehen? Diese Fragen standen u. a. im Fokus des königlich dänischen Staatsbesuches von Königin Margrethe II. und Kronprinz Frederik in Berlin.
Namhafte Vertreter der Foodservice-Branche diskutierten in einem
Round Table, wie der
Change hin zu einem "grünen" Food-Angebot gelingen kann – und was beide Länder voneinander lernen können. Mit von der Partie: der
Catering-Chef und Mitbegründer der "New Nordic Cuisine" Claus Meyer.
"Nur gemeinsam können wir ein Food-System entwickeln, das alle ernährt und gleichzeitig dem Planenten guttut", unterstrich
Kronprinz Frederik während des dänischen Staatsbesuches in Berlin. Viel Zeit zum Handeln bleibe nicht mehr. Nur gemeinsam ließen sich Lösungen für die großen Herausforderungen dieser Zeit finden. Allen voran die Klima-Krise erfordere ein schnelles und entschiedeneres Handeln, will man das
1,5-Grad-Ziel noch erreichen. Dies war eine der Kernbotschaften des
zweitägigen Staatsbesuches in Berlin.
„Nur gemeinsam können wir ein Food-System entwickeln, das alle ernährt und dem Planenten guttut. “
Seine Königliche Hoheit Kronprinz Frederik von Dänemark
Neben Königin Margrethe II, Kronprinz Frederik und einer großen
Minister-Riege waren Vertreter von
51 dänischen Unternehmen aus den Bereichen Food, Gesundheit und Energie mit angereist, um gemeinsam in verschiedenen Konferenzen und Round Tables Lösungen für eine zukunftsfähigere Welt zu finden. Die Rednerinnen und Reder auf den Kongressen begeisterten mit ihren Vorträgen und ließen unter den geladenen Wirtschaftsvertretern Aufbruchstimmung aufkeimen.
Zukunftsmacher: Kantine Zukunft, Meyer Catering und ISS
Zum Auftakt des Staatsbesuches erhielt die dänische Foodservice-Delegation Praxis-Einblicke bei einer Exkursion in das wegweisende
Berliner Projekt "Kantine Zukunft" sowie beim Besuch in der
Markthalle 9. Damit stimmten sich die Teilnehmer ein auf den hochrangig besetzten
Round Table "How to make foodservice more sustainable" unter der
Leitung von gv-praxis Redakteurin Claudia Zilz.
Zum Auftakt präsentierte
Mette Jasper Gammicchia vom
Danish Agriculture & Food Council Zahlen, Daten und Fakten zum Bio-Markt in Dänemark. Nahezu 3.500 Gastronomiebetriebe sind dort bereits bio-zertifiziert. Gleichzeitig sind die Zukufts-Ziele klar definiert: In den öffentlichen Kantinen soll landesweit ein
Bio-Anteil von 60 Prozent umgesetzt werden. Dabei wurde klar: In Dänemark sind die
öffentlichen Kantinen ein großer Motor für den Bio-Landbau insgesamt. Deutschland hinkt hier noch hinterher. Der Bio-Anteil im Außer-Haus-Markt liegt hierzulande bei geschätzten 1 bis 2 Prozent.
Doch gibt es mittlerweile viele Initiativen und Projekte, um den Bio-Anteil in Gastronomie und Großküchen auch in Deutschland zu steigern. So stellte der
Ministerialdirektor Dr. Burkhard Schmied vom
Bundesernährungsministerium die deutsche Strategie vor, wie der Bio-Anteil in öffentlichen Kantinen weiter ausgebaut werden soll. Dazu gehört das
Projekt "BioBitte", das mittels Workshops und Veranstaltungen Know-how über den Einsatz von ökologischen Lebensmitteln in die Breite trägt. Auch soll laut Schmied in allen
Kantinen des Bundes bis 2025 einen Bio-Anteil von 20 Prozent umgesetzt werden.
„Wir brauchen eine Food-Revolution auf allen Ebenen.“
Dr. Dirk Behrendt, Berliner Senator für Verbraucherschutz
So ambitioniert die Ziele erscheinen, Dänemark ist hier bereits deutlich weiter. Dies machte auch der Ex-BÖLW-Vorsitzende
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein deutlich. Er gilt seit vielen Jahren als die "deutsche Stimme des ökologischen Landbaus". In seiner mitreißenden Rede hob der
Öko-Pionier die vielen wegweisenden Projekte des Nachbarlandes hervor, die
Dänemark zum weltweiten Bio-Vorreiter mit Kopenhagen als Bio-Hauptstadt gemacht haben.
Hochrangig besetzt: Der Round Table "How to make foodservice more sustainable" unter Leitung von gv-praxis Redakteurin Claudia Zilz.
Claus Meyers klare Klimaziele
Doch was heißt das Wort Nachhaltigkeit in der Praxis?
Claus Meyer,
Gründer von Meyers Contract Catering in Kopenhagen, gab darauf klare Antworten. Der Name Claus Meyer steht in Dänemark für eine kleine Revolution in der heimischen Gastronomie. Der Multi-Unternehmer ist einer der Begründer der
"New Nordic Cuisine". Das Manifest dieser neuen, nordischen Küche steht für
Einfachheit, Frische, lokale und saisonale Produkte. An diesen Prinzipien richtet der Firmengründer bis heute sein Handeln aus und setzt konsequent auf ökologische Produkte möglichst aus der Region. Inzwischen geht das nachhaltige Engagement jedoch deutlich weiter: Ziel sei es, so Claus Meyer,
bis 2025 als Unternehmen klimaneutral zu sein und langfristig die durch die Lieferkette entstehenden CO
2-Emissionen deutlich zu senken. Gleichzeitig arbeite man mit Hochdruck an
Mega-Themen wie Foodwaste, Biodiversität, Tierwohl und Naturschutz – alles, um den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Um dies zu erreichen, hat man sich klare Ziele gesetzt. Meyer Catering betreibt eine Vielzahl hochgelobter Restaurants und nahezu
100 Kantinen in Dänemark. Über Jahrzehnte hat das familiengeführte Unternehmen unermüdlich daran gearbeitet, die Qualität der dänischen Esskultur und der Mahlzeiten auf ein neues Level zu heben.
Foodwaste halbieren
Auch das dänische
Catering-Unternehmen ISS forciert Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. Dies machte
Group CEO Jacob Aarup-Andersen deutlich. Der Multidienstleiter ist in 30 Ländern weltweit tätig und zählt rund 40.000 Kunden. So wolle ISS etwa die
CO2-Emissionen bis 2030 um 25 Prozent senken – auch durch mehr vegetarische Menüs. Gleichzeitig soll
Foodwaste bis 2027 halbiert werden. Und in Deutschland betreibe man für den Kunden
Vattenfall mittlerweile Kantinen mit einem
Bio-Anteil von nahezu 100 Prozent.
Welche Hürden auf dem Weg zur Bio-Kantine zu nehmen sind, erläuterte anschließend
Benjamin Simon, General Manager bei ISS Berlin. Weniger Fleisch, mehr Pflanzliches, weniger Foodwaste und weniger Convenience seien einige der Stellschrauben, um die Bio-Kantine auch wirtschaftlich zu betreiben, erklärte Simon.
Weichenstellen für nachhaltige Ernährung
Die genannten Punkte sind auch für die
"Kantine Zukunft" bei der Umstellung auf Bio entscheidend für den Erfolg. Im Auftrag des Landes Berlin berät und coacht die Fortbildungsorganisation intensiv öffentliche Kantinen auf ihrem Weg zum höheren Bio-Anteil.
Ziel seien 60 Prozent, so
Dr. Philipp Stierand, CEO, Kantine Zukunft Berlin. Der Berliner Senat hat das Projekt nach dem Vorbild des Kopenhagener "House of Food" im Herbst 2019 an den Start geschickt. Heute sind laut Stierand trotz Crorona-Pandemie
40 Küchen in der Beratung. Nächstes Frühjahr würden weitere 12 Küchen hinzukommen. Sie stünden auf der Warteliste, weil der Andrang so groß sei.
Zuvor hatte
Dr. Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Landes Berlin, die
Ernährungsstrategie der Hauptstadt vorgesellt. "Wir brauchen eine Food-Revolution auf allen Ebenen", appellierte der Senator. Das Land Berlin habe unter anderem mit der Kantine Zukunft, zahlreichen Bildungsprojekten und mit der Vorgabe, bei Essen in Grundschulen mindestens 50 Prozent Bio-Lebensmittel einzusetzen, die Weichen für eine nachhaltige, kommunale Ernährungspolitik gestellt.
Ob Dänemark oder Deutschland, beide Länder könnten noch viel voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren, resümierte
gv-praxis Redakteurin Claudia Zilz.
"Ein gutes, nachhaltiges Essen für alle" ist machbar, so der einhellige Tenor der Teilnehmer des Round Tables. Noch nie seien die Voraussetzungen für einen "Change" hin zu nachhaltiger Landwirtschaft und Ernährung besser gewesen.
Corona-Krise und Klima-Notstand forcierten den Wandel, ja würden die Branche zum Handeln zwingen.
So haben sich auf der
Weltklimakonferenz in Glasgow (COP 26) insgesamt
45 Staaten dazu verpflichtet, mehr Geld und Anstrengungen in den Naturschutz zu stecken und ihre
Landwirtschaft umweltfreundlich und nachhaltig umzubauen. Dies stimmt positiv. Auf seinem Empfng im Anschluss an den Round Table
informierte sich Kronprinz Frederik über die Ergebnisse der Runde.
Keine Zeit mehr zum Warten
Feierlich eröffneten
Königin Margrethe II. und Kronprinz Frederik am zweiten Tag des Staatsbesuches in Berlin einen großen
Wirtschaftskongress zu den Themen Food & Agriculture, Health und Energy. Mit von der Partie waren der dänische
Außenminster, Jeppe Sebastian Kofod, der dänische
Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Fischerei Rasmus Prehn sowie der dänische
Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Auf deutscher Seite nahm
Julia Klöckner als geschäftsführende Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft an dem Kongress teil und betonte in ihrer Rede an die deutschen und dänischen Vertreter, dass Nachhaltigkeit nicht an Grenzen halt machen dürfe und die Zusammenarbeit aller benötige.
Man brauche eine Transformation der Ernährungssysteme, so Klöckner. Statt auf Verbote solle man vielmehr auf Innovationen setzen.
„Don’t forget good eating and drinking.“
Julia Klöckner, geschäftsführende Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft
Für Gänsehaut-Feeling sorgte die Schalte zu einer
Guardian-Reporterin, die live von den Verhandlungen auf der
Weltklimakonferenz in Glasgow berichtete. Sie appellierte eindringlich an die Wirtschaftsvertreter, noch mehr in Sachen Klimaschutz zu unternehmen. Das bisher Unternommene reiche bei weitem nicht aus, um das
1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. In der Pflicht seien hier die Landwirtschaft und Ernährungsindustrie ebenso wie der Außer-Haus-Markt. In verschiedenen Panels präsentierten am Nachmittag namhafte Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategien. Mit auf dem Podium unter anderem
Rene Olsen, Senior Vice President von Danish Crown, René Stahlhofen, Managing Director von Royal Greenland oder etwa Christian Wulff Søndergaard, Vice President von Carlsberg. Am Ende waren sich alle Beteiligten einig: Es bleibt noch viel zu tun auf dem Weg zur nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft. Dabei kommt es darauf an, gemeinsame Lösungen für die Herausforderungen dieser Zeit zu finden und voneinander zu lernen.
Dänemark: Bio im Außer-Haus-Markt
- Ziel Regierung: 60 Prozent Bio-Produkte landesweit in allen öffentlichen Küchen
- Bio-Siegel: Seit 2009 eigenes Bio-Siegel für Küchen. Es wird ab einem Bio-Anteil von 30 % (Bronze) verliehen, Silber: 60-90 % und Gold: 90-100 %
- Küchen mit >30 % Bio-Anteil: ca. 3.500 landesweit mit Bio-Zertifikat (Stand: 2020), darunter gut zwei Drittel öffentliche Küchen
- Bio im Außer-Haus-Markt: 11,6 % Marktanteil (Deutschland ca. 1-2 %)