Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin DUH, fordert mehr Einsatz von Bundesumweltministerin Lemke gegen den Einweg-Müllberg und für Mehrweg.
Der Einwegmüll wird nicht weniger, moniert die Deutsche Umwelthilfe. Sie verlangt behördliche Kontrollen und das Fördern von Mehrweglösungen angesichts einer schwachen Bilanz des vor einem Jahr in Kraft getretenen Einwegplastik-Verbots. Ausdrücklich begrüßt der Umwelt- und Verbraucherschutzverband die Entscheidung in Tübingen, an der Einweg-Steuer festzuhalten.
Der Tübinger Gemeinderat hat beschlossen, die zum 1. Januar 2022 eingeführte kommunale Verpackungssteuer auf Einweg-to-go-Geschirr und -besteck weiter zu erheben. Vorausgegangen war ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim, wonach die abschließende Verantwortung für Abfallvermeidung bei der Bundesregierung liege und die kommunale Steuer somit rechtlich nicht zulässig sei. Gegen die seit Jahresbeginn erhobene Steuer hatte die Franchise-Nehmerin eines McDonald's-Schnellrestaurants in Tübingen geklagt. Das Urteil des VGH Mannheim ist nicht rechtskräftig, denn die Stadt Tübingen hat Berufung eingelegt.
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Verpackungssteuer Tübingen
Am Coffee-to-go gescheitert – unter anderem
Das Gericht begründet sein ablehnendes Urteil gegen die Steuer. Nach dessen Ansicht hat die Stadt Tübingen ihre Kompetenzen überschätzt.
"Die Verteuerung von Einweg-Geschirr ist eine der wirksamsten Maßnahmen gegen die Müllflut", ist DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz überzeugt und sieht den Beleg dazu in Tübingen erbracht. Die Vermüllung des öffentlichen Raumes habe innerhalb kürzester Zeit deutlich abgenommen. "Die Entscheidung des Tübinger Gemeinderates, die Verpackungssteuer trotz der Infragestellung durch den Verwaltungsgerichtshof Mannheim, weiter zu erheben, ist aus Umweltsicht völlig richtig. Die weitere Steuererhebung wird immer klarer werden lassen, welch wichtigen Beitrag Kommunen zur Abfallvermeidung und zum Klimaschutz leisten können", lautet ihr Kommentar zum Fall Tübingen. Eine erste Tübinger Bilanz vier Wochen nach dem Steuer-Start gab an, dass die Müllmenge im Januar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 Tonnen gesunken sei.
Verbot wirkt nicht
Laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) fallen in Deutschland täglich 500.000 Einweg-Essensboxen und 660.000 Einwegbecher an – immer noch. Pro Jahr seien das mehr als 190.000 Tonnen Abfall durch Einweg-Becher, -Besteck, -Teller und -Essensboxen, die das Klima mit über 830.000 Tonnen CO
2 jährlich belasten. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband bewertet das seit dem 3. Juli 2021 geltende Verbot bestimmter Einweg-Plastikprodukte als wirkungslos. Eigene Stichproben hätten ergeben:
Mehr als 90 Prozent von 20 in Berlin besuchten Imbissen bieten verbotene Einweg-Plastikprodukte weiterhin an. Weil etwa Einweg-Plastik durch andere Materialien ersetzt werde, laufe das Verbot weitgehend ins Leere. Zudem kursierten "Fake-Mehrweg"-Lösungen, wie die DUH mitteilt.
Als eine Maßnahme für mehr Breitenwirkung fordert sie daher von Umweltministerin Lemke, eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf bisher unberücksichtigte, also nicht verbotene Einweg-Produkte einzuführen. Damit die Verbotsregelung wirken könne, sieht die DUH zusätzlich
Vollzugsbehörden der Bundesländer in der Pflicht, die Einhaltung zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren.
Lösungen besser fördern
"Das Verbot hat, wie von uns befürchtet, nicht zur Eindämmung des Einwegplastik-Müllbergs geführt. Statt ökologischer Mehrweg-Alternativen werden vielerorts Einweg-Produkte aus Plastik durch Einweg aus Papier, Pappe, Holz oder Aluminium ersetzt. Deren Umweltbilanzen sind ähnlich schlecht wie die konventioneller Einweg-Plastikprodukte", moniert
Barbara Metz. Verschwendet würden auch dafür viel Energie und Ressourcen, ohne dass der Abfall reduziert würde.
Keine Lösung: Pappbecher sind keine gute Alternative zu Plastikbechern, moniert die DUH, da der Energie- und Ressourcenverbrauch in keinem guten Verhältnis für die einmalige Nutzung stehe.
"Diesen Trend sehen wir vor allem bei großen Fast-Food- und Gastronomieketten. Aber genau dort kann Mehrweg für Speisen und Getränke sofort eingesetzt werden", betont Metz. Eine
Gebühr könne hier Anreize schaffen, findet sie, und mit den Einnahmen könnte Mehrweg gleichzeitig gestärkt und attraktiver gemacht werden.
Die DUH stellt außerdem sowohl im Einzelhandel als auch in der Gastronomie fest, dass Plastikprodukte mit eindeutigem Einweg-Charakter einfach zu Mehrweg umdeklariert und angeboten würden. Angeführt wird das Beispiel von Plastikbesteck im Berliner Tierpark, das als "wiederverwendbar" angeboten werde. Ohne Pfand herausgegeben, werde es jedoch in der Regel schlicht im Restmüll entsorgt.
"Etwas dickeres Plastikbesteck wird für Cent-Beträge in Supermärkten und Ein-Euro-Läden als vermeintliches 'Mehrweg" angeboten", konstatiert die DUH weiter. Auch sie landeten im Müll. "Durch den höheren Ressourcenverbrauch in der Produktion haben sie aber noch größere Umweltauswirkungen", kritisiert Thomas Fischer, DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft. Ein Pfand sei bei als Mehrweg deklarierten Produkten zumindest ein Anreiz, das Geschirr zu reinigen und selbst weiter zu verwenden.
Fischer äußert dabei einen konkreten Verdacht, wie das Verbot umgangen werde: "Verbote sind nur so gut, wie deren Vollzug. Deshalb ist es notwendig, die Einhaltung der Einweg-Plastikverbote zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren. Übrig gebliebene Einweg-Warenbestände müssten nach einem Jahr längst aufgebraucht sein. Vielmehr besteht der Verdacht, dass Händler sich illegal durch Direktimporte aus dem nichteuropäischen Ausland mit verbotenen Einweg-Plastikprodukten eindecken", erklärt Fischer.