In Zukunft grün – "Ein starkes Zeichen"

Rund 300 Gäste besuchten den Branchentag der Gemeinschaftsgastronomie am 3. März in Hamburg.
© Thomas Fedra

Mit rund 300 Teilnehmern startet die Branche auf ihrem jährlichen Treffen in Hamburg schwungvoll in das Post-Corona-Zeitalter. "In Zukunft grün" ist das Leitthema auf dem Branchentag der Gemeinschaftsgastronomie. Am Horizont zeichnet sich eine nachhaltigere Zukunft ab. Energiekrise und kein Ende?

"Ein starkes Zeichen" befindet gvpraxis-Herausgeber Burkart Schmid, als er bei seiner Begrüßung zum Branchentag der Gemeinschaftsgastronomie im Congress Center Hamburg blickt. Rund 300 Teilnehmer treffen sich am 13. März im Rahmen der Internorga und wagen zusammen mit Experten einen Blick in die Zukunft. Und die präsentiert sich im grünen Gewand.



Erste Eindrücke vom Event

Das Fundament für den Tag legte gvpraxis-Chefredakteurin Claudia Zilz, die die brandaktuellen Ergebnisse der Nestlé Studie 2023 "So nachhaltig is(s)t Kantine und Mensa" präsentierte.
Claudia Zilz, Chefredaktion Hotel- und Gastromedien, stellte die brandaktuellen Ergebnisse der Nestlé Studie 2023 vor: "So nachhaltig is(s)t Kantine und Mensa".
Claudia Zilz, Chefredaktion Hotel- und Gastromedien, stellte die brandaktuellen Ergebnisse der Nestlé Studie 2023 vor: "So nachhaltig is(s)t Kantine und Mensa".
© Thomas Fedra
Darin zeichnet sich ab, dass in der Betriebs- und Campusgastronomie immer mehr pflanzliche Gerichte und immer weniger Fleisch den Speiseplan bestimmen: Die überwiegende Mehrheit der Mensa- und Kantinenverantwortlichen – mehr als 350 Entscheiderinnen und Entscheider haben für die Studie detaillierte Daten zur Verfügung gestellt - hat die Corona-Krise gezielt genutzt, um ihr Angebot und ihre Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. Und die Betriebs- und Campusgatronomen kehren mit einem geschärften grünen Profil aus der Pandemie zurück.

Über 90 Prozent der befragten Betriebs- als auch Campusgastronomen sehen sich in der Verantwortung für eine nachhaltige Ernährung. Beide Gruppen nehmen den Auftrag für mehr Nachhaltigkeit stark für sich an und treiben die Ernährungswende durch entsprechende Angebote gemeinschaftlich voran. "Die Studie belegt, wie stark Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsgastronomie verankert ist", sagt Claudia Zilz. "Hier wird der Kulturwandel auf den Tellern betrieben, hier wird die Zukunft aktiv gestaltet!" Ein Indiz dafür: Grundsätzlich bieten über 90 Prozent der Mensen und Kantinen täglich ein vegetarisches Menü an. Beeindruckende Zahlen. 

Nouvelle Cantine

Einen Blick in die Praxis der Betriebsgastronomie gewährt der "kochende Handballer" Bernhard Kampmann: Für den Erfolg seiner Restaurants, seiner "Nouvelle Cantine" nennt er die drei Erfolgsfaktoren Mensch, Produkt und Handwerk, für die er in seinen Betrieben eine neue Wertschätzung feststellt: "Wir befinden uns in einer Zeitenwende gerade", sagt er und zählt Trends wie New Work, Klimawandel und Gesundheitsbewusstsein auf. Das alles gelte es zu beachten. Anschließend berichtet er über den bewussten  Umgang mit seinen Mitarbeitern in den über 20 gastronomischen Einrichtungen, die Kampmann Business Restaurants betreibt. Auch hier spiele Wertschätzung die tragende Rolle.
Bernhard Kampmann, Nouvelle Cantine © Michael Breuer
Machen wir unsere Restaurants zu den Herzstücken der Betriebe, machen wir die Betriebsgastronomie jeden Tag ein Stückchen besser!
Bernhard Kampmann, Nouvelle Cantine
Kampmanns Küche beschreibt eine Trendwende in der Betriebsgastronomie. Ganz bewusst in Anlehnung an die "Nouvelle Cuisine", einen Kochstil, der Mitte des 20. Jahrhunderts in der französischen Küche entwickelt wurde und auf frische Zutaten, natürlichen Geschmack, kürzere Zubereitungszeiten und schonende Verarbeitung setzt. Frische, regionale Produkte und gutes Kochhandwerk prägen die Rezeptur-Ideen. Als Tipps für seine Gastrokollegen rät Kampmann auf vier Punkte zu achten: Zunächst darauf zu achten, die Betriebsrestaurants in Orte mit Wohlfühlatmosphäre zu verwandeln. Als nächstes gehe es darum, die Kantine als Kommunikationsplattform zu etablieren. Gepaart mit dem Fokus auf frische, regionale Küche und dem steten Nudging der Gäste hin zu gesunder, leichter Küche ergebe sich die Nouvelle Cantine. "Machen wir unsere Restaurants zu den Herzstücken der Betriebe, machen wir die Betriebsgastronomie jeden Tag ein Stückchen besser!"

Strategien an der Charité

Einblicke in die Speiseversorgung an der Charité in Berlin, Europas, größter Klinik, und deren Strategien für eine nachhaltige und gesunde Ernährung, gab Simon Batt-Nauerz, Geschäftsbereichsleiter Infrastruktur & Nachhaltigkeitsmanagement, Geschäftsführer Charité CFM Facility Management. Für die über 20.000 Beschäftigten der Charité produzieren die Küchen mit einer 300-köpfigen Crew täglich 4.500 Speisen. Das bedeutet jährlich 1.400 Tonnen Lebensmitteleinkauf, allein 440.000 Eier und 375.000 Liter Milch.
Simon Batt-Nauerz ist Geschäftsbereichsleiter Infrastruktur & Nachhaltigkeitsmanagement, Geschäftsführer Charité CFM Facility Management. Seine 300-köpfige Küchen-Crew verarbeitet pro Jahr 1.400 Tonnen Lebensmittel. 28 Prozent davon werden mittlerweile regional eingekauft.
Simon Batt-Nauerz ist Geschäftsbereichsleiter Infrastruktur & Nachhaltigkeitsmanagement, Geschäftsführer Charité CFM Facility Management. Seine 300-köpfige Küchen-Crew verarbeitet pro Jahr 1.400 Tonnen Lebensmittel. 28 Prozent davon werden mittlerweile regional eingekauft.
© IMAGO / Funke Foto Services
Auf dem Weg Richtung Zukunft stehen verschiedene Themen im Fokus: allen voran Nachhaltigkeit. Obwohl bei diesen Mengen nicht alles von regionalen Produzenten eingekauft werden kann, werden immer mehr Verträge abgeschlossen, zum Beispiel mit Werder Frucht oder der Lobethaler Molkerei. Inzwischen kommen 392 Tonnen, also 28 Prozent des Gesamteinkaufs, aus der Region, referiert Batt-Nauerz. Hohe Liefermengen lassen nicht jeden Regionalpartner zu. Aber Paprika kommen mittlerweile etwa ausschließlich aus Wittstock an der Dosse. Dieser Weg wird trotz der erhöhten Kosten konsequent beibehalten: "Regionalität kostet uns 20 Cent pro BKT", bekennt der studierte Betriebswirt, "es ist nun mal Teil der Nachhaltigkeitskampagne." Sterne-Koch Alexander Koppe kommt regelmäßig, kocht mit den Kollegen, gibt Tipps und sorgt etwa für Rote-Bete-Knödel mit Rahmwirsing. "Diese Zusammenarbeit ist für viele unserer Mitarbeitenden eine große Motivation."

Sein nächster Punkt: Die Charité hat vor einem Jahr die Beitrittserklärung zur Strategie gegen Lebensmittelverschwendung des Bundeministerirums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterzeichnet. Seidem wird der gesamte Foodwaste genau erfasst, seine Entstehung ausgewertet und optimiert. Es bedeutet gleichzeitig eine totale Transparenz der Verbräuche über einen Tag unter Berücksichtigung der Auslastungsspitzen und Anpassung der Nachbestückung. "Wir konnten innerhalb eines Jahres die Lebensmittelabfälle in der Patientenverpflegung um 20,4 Prozent und in der Mitarbeiterverpflegung um 53,81 Prozent reduzieren", berichtet Batt-Nauerz. Zudem habe sich die Aufmerksamkeit der Crew dafür enorm erhöht und zeitige immer wieder neue Ideen.

Sein nächstes Ziel: Mehr individuelle Bestellungen ermöglichen, um sportlichen Vielessern ebenso wie vielleicht älteren Wenigessern genau jene Mengen zu servieren, die sie wirklich wollen und benötigen.

Das neue Mensenzeitalter

Dass das grüne Zeitalter in der Campusgastronomie bereits begonnen hat, belegte eindrücklich Ulrich Opatz, Leiter Hochschulgastronomie des Studierendenwerks Mannheim.
Ulrich Opatz, Gastronomieleiter im Studierendenwerk Mannheim: "Wir zeigen in der Campusgastronomie, dass das nachhaltige Angebot überzeugt."
Ulrich Opatz, Gastronomieleiter im Studierendenwerk Mannheim: "Wir zeigen in der Campusgastronomie, dass das nachhaltige Angebot überzeugt."
© Thomas Fedra
Er stellte das Konzept "greenes² – mindful campus food" vor. Es konzentriert sich auf authentisch nachhaltige Produkte. Als erstes klimaneutrales Produkt wurde für den Kaffee ein Product Carbon Footprint analysiert. Sämtliche für diesen Genuss entstandenen Treibhausgasemissionen wurden erfasst – und ausgeglichen. Dafür wurde das Projekt im letzten Jahr mit dem Internorga Zukunftspreis ausgezeichnet.

Opatz erläuterte, wie das greenes² sich zu einem absoluten Anziehungspunkt in Mannheim entwickelt hat und sowohl ein weiterer Roll-out im Studierendenwerk in Arbeit ist als auch Vorbereitungen, um das Konzept als Franchise zu vergeben. Durch frisch zubereitete wechselnde saisonale Produkte als Ergänzung zur Speisenauswahl der Mensa wie Bowls, Poutines, Bagels, Wraps oder frisch gemixte Smoothies und witzige Aktionen wie "Falafels for Future". Opatz' Fazit: "Wir zeigen in der Campusgastronomie, dass das nachhaltige Angebot überzeugt. Der Prozess des Umdenkens wird sich weiter fortsetzen." 

Thorsten Kretzschmar, stellv. Vorstandsvorsitzender VdF © privat
Das größte Problem steht vor den Kochgeräten.
Thorsten Kretzschmar, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Verband der Fachplaner Gastronomie Hotellerie Gemeinschaftsgastronomie (VdF)
Zum Abschluss des Vormittags kam eines der brennenden Themen unserer Zeit auf die Bühne, die Energiekrise. "Die Schul- und Kitacaterer leiden unter einem regelrechten Fieberkrampf", schildert Ralf Blauert, Vorsitzender Verband Deutscher Schul- und Kitacaterer (VDSKC) die Lage seiner Branche. Die Unternehmen litten unter hohen Lebensmittel- und eben Energiepreisen. "Bei den kleinen Betrieben stellen wir vermehrt Geschäftsaufgaben fest." Doch wie lassen sich in der Küche Energiekosten minimieren? Fachplaner Thorsten Kretzschmar warnt davor, die Schuld bei den Geräten zu suchen: "Das größte Problem steht vor den Kochgeräten." Die versteckten Kosten würden sich hinter Fehlbedienung und vor allem Nachlässigkeit befinden, etwa unnötige Standby-Zeiten oder das Einbringen von frischem Gargut in die Tiefkühlung, womit das Temperaturausgleichssystem komplett und teils über einen ganzen Tag hinweg überfordert sei. "Kommen warme Speisen in die Tiefkühlung, erwärmen sich damit alle tiefgekühlten Produkte und müssen wiederum runtergekühlt werden."

Energieberater Torsten Merker empfiehlt Unternehmen bestehende Energiesysteme besser zu pflegen: "Wenn ein System erst einmal eingerichtet ist, wird gerne alles einmal einfach laufen gelassen", weiß er. Sein Ratschlag ist es, regelmäßige Auswertungen des Verbrauchs zu fahren und mögliche Maßnahmen passgenau anzugleichen.

Alternative Energiequellen wie Holz-Pellets, die Ralf Blauert seit Jahren erfolgreich nutzt, oder etwas Sonnenenergie bilden gute Möglichkeiten, von Gas- und Strompreisspiralen unabhängiger zu werden. "Derzeit sind Wasserstoff-Energiespeicher noch teuer, teils auch in der Wartung", informiert Torsten Merker über die Aussichten, inhouse alternativ produzierte Energie für späteren Bedarf zu speichern. Aber auch E-Auto-Batterien bieten hier Möglichkeiten.

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