Klartext

Warum keine Zuckersteuer?

Dr. Volker Nürnberg sagt Klartext zur Zuckersteuer.
Dr. Volker Nürnberg
Dr. Volker Nürnberg sagt Klartext zur Zuckersteuer.

Eigentlich sollte die Zuckersteuer im Koalitionsvertrag als ein Ziel der neuen Regierung festgeschrieben werden. Doch am Ende konnten sich die Ampel-Parteien doch nicht darauf einigen. Dabei wäre sie wichtig gewesen, meint Dr. Volker Nürnberg im Gastkommentar. Er lehrt Gesundheitswirtschaft und ist Partner bei BDO.

Dieser "Klartext" erschien zuerst in der Februar-Ausgabe 2022 der gvpraxis.  Jetzt im E-Paper lesen

In den Koalitionsverhandlungen wurde eine Zuckersteuer auf (stark) zuckerhaltige Nahrungsmittel hoch gehandelt, jedoch fehlt sie im Abschlusspapier. Die FDP scheint sich durchgesetzt zu haben. Die Vorhaben der neuen Regierung beinhalten zusätzliche Ausgaben und Investitionen, aber keine neuen Einnahmen oder Einsparungen, womit sich die Frage der Finanzierbarkeit stellt. Hier hätte eine Zuckersteuer gut in den ökologischen Umbau des Sozialstaates gepasst.

Lenkungswirkung erheblich

Und auch der neue Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir, der sich selbst bewusst und vegan ernährt, hätte ein Vorzeigeprojekt gehabt. In der Vergangenheit konnte man anhand des Themas Tabakkonsum sehen, wie es durch staatliche Eingriffe zu einem massiven Rückgang kam. Die Lenkungswirkung solcher staatlichen Maßnahmen auf Konsumenten und Hersteller scheint erheblich zu sein. Für eine dauerhafte Verhaltensänderung brauchen Menschen häufig einen Anstoß, beispielsweise über das sogenannte Nudging oder Incentivierungen.

Für eine Zuckersteuer spricht: Die Deutschen konsumieren im Schnitt pro Tag 93 Gramm Zucker; die WHO geht davon aus, dass die Grenze des Gesunden bei 25 Gramm pro Tag liegt. Besonders betroffen sind Kinder, für die der Staat eine besondere Fürsorgepflicht hat, welche auch auf die Gemeinschaftsverpflegung in pädagogischen Einrichtungen übergeht.

Mehr als jeder Zweite übergewichtig

Über die Hälfte der erwachsenen Deutschen ist übergewichtig. In der privaten Krankenversicherung sind Risiken wie Übergewicht schon heute ein Ausschlusskriterium bzw. es drohen entsprechende Beitragszuschläge. Wohingegen die Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse unabhängig vom Lebensstil sind. Die Folgekosten des Übergewichts, zum Beispiel in Form von Bluthochdruck, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, werden von der Krankenkasse aufgefangen und von der Allgemeinheit getragen, also sozialisiert. Es sind bereits über 8 Millionen Deutsche an Diabetes erkrankt. Dabei sind die Schäden für die Menschen ebenso wie die Kosten für die Sozialversicherung erheblich.

Vorbild Mexiko

In Mexiko hat man 2014 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Dabei war zu beobachten, dass der Verkauf schon im ersten Jahr um rund 10 Prozent sank, während der Verkauf von beispielsweise Wasser anstieg. Natürlich sind staatliche Eingriffe in der Marktwirtschaft immer genau zu prüfen; aber da die Steuer alle betrifft, wird die Betriebsgastronomie nicht benachteiligt. Im Gegenteil: In der Post-Corona-Zeit muss man sich ohnehin neu aufstellen. New Work, Mobile Work und Homeoffice bedürfen einer "New Betriebsgastronomie", die den veränderten Bedarfen an Produkten, Vertriebskanälen und Organisation gerecht wird.

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